Warum und wann wir auf Arbeit trauern sollten

Herr L. erzählte mir von seiner Enttäuschung, die er erlebt hat, als er seine etwa 300 MitarbeiterInnen über die geplanten Veränderungen informierte. Das Unternehmen, wie so viele, hat in den letzten 15 Jahren sehr viele und zum Teil einschneidende Veränderungsprozesse durchlaufen. Und nun schon wieder.

Warum und wann wir auf Arbeit trauern sollten

Herr L. erzählte mir von seiner Enttäuschung, die er erlebt hat, als er seine etwa 300 MitarbeiterInnen über die geplanten Veränderungen informierte.

Das Unternehmen, wie so viele, hat in den letzten 15 Jahren sehr viele und zum Teil einschneidende Veränderungsprozesse durchlaufen.

Und nun schon wieder. Ein Team von ausgewählten Change Agents hatte sich sechs Monate lang viele Gedanken dazu gemacht, wie die Veränderungen aussehen sollten. Auch der Prozess, wer wann auf welchem Weg von den anstehenden Neustrukturierungen informiert werden soll war gut durchdacht und geplant.

Und dann kam das Meeting in dem alle 300 MItarbeiterInnen seines Bereiches die konkreten Auswirkungen und Veränderungen erfahren sollten.

Und obwohl es zu keinen Entlassungen kommen sollte, war die Aufregung und Empörung unter den Mitarbeitern groß.

Im Gespräch mit mir war der Chef sehr enttäuscht davon, dass die MA seinen doch so gut durchdachten und sinnvollen Ideen nicht voller Freude über die Sicherheit ihrer Arbeitsplätze folgten.

Was war passiert? Er hatte nicht bedacht, dass er und sein Change Team sich ja schon seit einem halben Jahr mit all den anstehenden Fragen beschäftigt hatten und für sie das nur die Präsentation der Ergebnisse war. Für die Mitarbeiter waren es Neuigkeiten und diese mussten erst einmal verdaut werden. Die notwendigen und sinnvollen Veränderungen machen einen Abschied von Altvertrauten und Gewohntem notwendig. Teams werden aufgelöst, Arbeitsbereiche verschoben, Leitungsebenen verändert.

Also wirklich ein Abschied. Und Abschiede machen oft traurig. Sogar dann, wenn etwas Gutes, etwas Aufregendes und Neues vor einem liegt. Und das wird im Unternehmenskontext oft vergessen. Menschen brauchen Zeit um sich zu verabschieden – von alten Strukturen, gewohnten Teams und Umgebungen. Sie brauchen Zeit zum Trauern – ja, das meine ich wirklich so. Führungskräfte müssen nicht viel tun, sie müssen einfach bedenken, dass sie ja einen emotionalen Vorsprung haben, weil sie sich mit dem Thema schon länger befasst haben.

Das heißt also auch beim Verkünden von Neuigkeiten, nicht zu erwarten, dass die Mitarbeiter mit wehenden Fahnen das Neue umsetzen, sondern im Kopf behalten, dass die Herzen der Menschen sich manchmal nicht so schnell bewegen. Emotionen brauchen Zeit um gefühlt und verarbeitet zu werden.

Und manchmal braucht es wirklich nur das: Zeit.

Herr L. wollte seine MitarbeiterInnen überzeugen, wie sinnvoll und gut die Veränderung doch sind und redete und argumentierte in dem Meeting immer mehr. In den Tagen nach dem Meeting bekam er die volle Wucht der Trauer – oft verkleidet als Ärger – ab. Und er ärgerte sich.

In unserem Gespräch hat Herr L. verstanden, was die Menschen so ärgerlich und verzagt gemacht hat und wie er damit umgehen könnte.

Nicht dagegen argumentieren, sondern zuhören, die Gefühle anerkennen und ihnen ihren Raum lassen.